Derzeitige Lebensbedingungen in Madagaskar
Schule
Das Bildungswesen lässt ebenfalls zahlreiche Wünsche offen. Fast die Hälfte der Fünf- bis 17-Jährigen muss arbeiten. Zehntausende von Kindern arbeiten in den Vanille-Plantagen und in den Steinbrüchen zum Teil unter sklavenartigen Bedingungen. Auch deshalb schafft ein Drittel der Kinder noch nicht einmal einen Grundschulabschluss.
Immerhin, in den letzten Jahren ging der Anteil der Analphabeten im Land zurück, für 2018 wird er mit etwa einem Viertel angegeben. Umgekehrt sind die Kinder durchschnittlich länger in der Schule als früher. Es liegt aber auf der Hand, dass solche Fortschritte gefährdet sind, wenn andere Grundbedürfnisse nicht befriedigt werden können. Wenn alle, wie jetzt im Süden, mit der Nahrungssuche beschäftigt sind, dann kann an Dinge wie den Schulbesuch natürlich keiner denken.
Medizin
Madagaskar ist seit Jahrzehnten ein Schwerpunkt der Pest, jährlich zumeist von Oktober bis April gibt es einige hundert Fälle. Im Jahre 2017 wurde die Situation deutlich dramatischer – früher als sonst erkrankten trotz groß angelegter Hilfsmaßnahmen etwa 2000 Menschen an Lungentuberkulose, jeder zehnte davon starb. Zu befürchten war eine unkontrollierbare Epidemie mittelalterlichen Ausmaßes, die dann aber doch verhindert werden konnte. Aufgrund der aktuellen Hungersnot treten viele Begleiterkrankungen auf, die behandelt werden müssen.
Wasser
Fast der Hälfte der Menschen in Madagaskar kommt nicht an sauberes Trinkwasser. In der Hauptstadt sind es 97 Prozent – was ja nichts anderes heißt als dass der Anteil auf dem Land erheblich niedriger ist. Eine gesicherte Sanitärversorgung steht nur zehn Prozent der Bevölkerung zur Verfügung. Auf dem Land beträgt dieser Anteil allerdings nur zwei Prozent. Viele medizinische Probleme ergeben sich aus dem Zusammenspiel der mangelnden Ernährung und der unzureichenden Versorgung mit sauberem Trinkwasser.
ErnäHrung
Die aktuelle Hungerkrise im Süden Madagaskars ist so gravierend, dass sie hier vor allen weiteren Dingen einen Schwerpunkt bilden muss. 1,3 Millionen Menschen sind derzeit, Anfang 2022, von Mangelernährung und einer unsicheren Versorgungslage betroffen; fast 30.000 Einwohner:innen befinden sich in einer akuten Hungersnot. Eine halbe Million Kinder sind unterernährt.
Die Zustände sind dramatisch. Die Menschen essen, was sie finden: Wurzeln, Gras und Blätter, Kakerlaken und Heuschrecken, gelegentlich auch Lehm und Leder. Dabei gibt es durchaus Lebensmittel, aber diese müssen bezahlt werden. Durch die Corona-Pandemie sind die Nahrungsmittelpreise stark angestiegen, gerade auch für Grundnahrungsmittel. Gleichzeitig ist es viel schwerer geworden, eine bezahlte Beschäftigung zu finden. Manche haben längst ihren gesamten Besitz verkauft, um Nahrungsmittel kaufen zu können. Es sollen auch schon Familien ihre Töchter zur Verheiratung verkauft haben.
Geographie
Madagaskar ist die viertgrößte Insel der Welt und liegt etwa 400 Kilometer vor der Ostküste Afrikas. Von Norden nach Süden beträgt die Ausdehnung knapp 1600 Kilometer; Madagaskar ist bis zu 580 Kilometer breit. Die Fläche Madagaskars umfasst 587.000 Quadratkilometer (vgl. goruma).
Die frühe Abtrennung vom Festland im Rahmen der Kontinentalverschiebung und die isolierte Lage im Indischen Ozean führten dazu, dass sich auf Madagaskar eine vielfältige und spezielle Tier- und Pflanzenwelt entwickeln konnte. Zur Vielfalt tragen auch die Unterschiede im Klima der verschiedenen Regionen bei. An der Ostküste gibt es tropische Hitze mit viel Feuchtigkeit, es gibt ein klimatisch gemäßigtes Hochland, und das südwestliche Trockengebiet zeichnet sich durch karge und unregelmäßige Niederschläge aus. Ursprünglich war die Insel komplett bewaldet, aber durch menschliche Eingriffe ist vom Regenwald nur noch ein Bruchteil übrig.
Geschichte
Bei der ersten demokratischen Wahl 1960 erlangte die sozialistische PSD eine dominierende Stellung. Zu Anfang der 1970er Jahre gab es Unruhen, 1972 führte ein Putsch zu einer Militärdiktatur. 1975 kam ein stark sozialistisches Regime unter Didier Ratsiraka an die Macht. Die engen Verbindungen zu Frankreich wurden gelöst, die Sowjetunion war der neue priorisierte Partner.
Zahlreiche Verstaatlichungen sorgten in den Folgejahren für wirtschaftliche Einbrüche, Hungersnöte in der Folge von Produktionsausfällen. Trotzdem konnte die Regierung sich lange halten. Erst 1991 wurde sie nach langem Generalstreik gestürzt, aber nach fünfjährigem Exil wurde Ratsiraka erneut zum Präsidenten gewählt und regierte bis 2001.
Sein Nachfolger Marc Ravalomanana erlangte zwar so viel Popularität, dass er 2006 wieder gewählt wurde, musste 2009 die Macht dann aber doch wieder dem Militär überlassen. Dieser Umsturz führte zu einer schweren politischen Krise; Madagaskar war vier Jahre lang politisch isoliert.
Die Demokratie kehrt zurück
2013 konnte Madagaskar zu einer demokratischen Politik zurückfinden. Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wurden abgehalten, mit Unterstützung der Vereinten Nationen. 2018 gab es nach erneuten Wahlen einen friedlichen Machtwechsel. Staatspräsident ist seit Anfang 2019 Andry Rajoelina, Premierminister seit Juni 2018 Christian Ntsay.
Zu den politischen Problemen des Landes gehört eine geradezu desolate Ausstattung mit finanziellen Mitteln. Das Geld reicht einfach nicht aus, um in moderne Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildungswesen ausreichend zu investieren.
Dazu kommt, dass eine kleine Oberschicht von den Naturschätzen des Landes profitiert und grundlegende Reformen blockiert. Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit sind defizitär, die Korruption und ist weit verbreitet. Misswirtschaft ebenfalls. Dementsprechend ist das Vertrauen der Bürger in den Staat gering. Die Bevölkerung ist zu einem großen Teil nicht in der Lage, die Regierung zu kontrollieren und eigene Interessen in den politischen Prozess einzubringen.
Ökonomie
Madagaskar ist eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt, mehr als drei Viertel der Einwohner:innen leben in extremer Armut. Nur zehn Prozent befinden sich oberhalb der Armutsgrenze. Fast jedes zweite Kind unter fünf Jahren ist chronisch mangelernährt. Das Bruttonationaleinkommen pro Kopf liegt mit jährlich umgerechnet 480 US-Dollar weit unter dem Durchschnitt der anderen afrikanischen Länder südlich der Sahara.
Besonders groß ist die Armut in den ländlichen Regionen. Auf dem Land gehören 80 Prozent der Bevölkerung den unteren Schichten an, in den Städten dagegen 80 Prozent den oberen Schichten. Das reichste Fünftel der Bevölkerung verfügt über 50 Prozent des Einkommens.
Dabei hat Madagaskar durchaus Potenziale. Es gibt fruchtbare Böden und reiche Vorkommen an Nickel, Titan, Bauxit und Graphit. Auch Gold ließe sich gewinnen, das aber wegen Wassermangels im Süden genau dort nicht abgebaut wird, wo die Einnahmen am dringendsten gebraucht würden. Auch für die Nutzung regenerativer Energien aus Wind, Sonne und Wasser ergeben sich große Potenziale.
Madagaskar ein Agrarland
Madagaskar ist vor allem ein Agrarland, 87 Prozent der Beschäftigten haben einen Job in der Landwirtschaft. In der Industrie arbeiten nur 4 Prozent, die restlichen 9 Prozent für die öffentliche Hand, im Handel oder im Dienstleistungsbereich. In nennenswertem Umfang wird Vanille exportiert, außerdem Kaffee und Gewürznelken.
Aber die Situation der Landwirtschaft ist schwierig. Madagaskar ist empfindlich gegenüber Überschwemmungen, Dürren und Wirbelstürmen. Sie führen zu Ernteausfällen und zu Schäden an der Infrastruktur, gefährden damit die Existenzgrundlage der Bevölkerung. Im Südosten des Landes zum Beispiel leben die Menschen vom Anbau von Maniok, Süßkartoffeln, Mais und Reis. Aber die Erträge sind karg, oft vernichten Überschwemmungen die Ernte. Neue Ackerflächen sollen her, dafür roden die Bauern den Regenwald und achten auch die Grenzen des Nationalparks Befotaka Midongy nicht. So verschwinden immer weitere Waldflächen, mit allen Folgen für das Ökosystem.
Schönheit und Vielfalt der Natur könnten viele Einnahmemöglichkeiten durch den Tourismus bringen. Der Tourismus ist schon jetzt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, könnte weiter ausgebaut werden. Vor allem findet er weitgehend im grünen Norden der Insel statt, der trockene Süden profitiert davon nicht. Gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit müsste bei einem weiteren Ausbau aber auch für den Schutz der noch verbliebenen Regenwälder gesorgt werden.
Politik
Madagaskar ist eines der am letzten besiedelten Gebiete der Erde. Die ersten Menschen tauchten dort wohl um 350 vor Christus auf, eine dauerhafte Besiedlung setzte aber erst vor etwa 1500 Jahren ein. Den damaligen polynesischen Seefahrern folgten arabische und afrikanische Seefahrer. Mit einer Zunahme der Bevölkerung verfestigten sich politische Strukturen in Form unterschiedlicher Königreiche. Um das Jahr 1400 herum deckten diese die gesamte Insel ab.
Diese bestanden auch nach Ankunft der ersten Europäer im Jahre 1500 fort, eine dominierende Rolle spielte ab Mitte des 17. Jahrhunderts das Reich der Merina. In die Geschichtsbücher eingegangen ist die Schreckensherrschaft der Königin Ranavalona von 1828 bis 1861. Sie terrorisierte ihr eigenes Volk und reduzierte die Kontakte zum Ausland auf ein Minimum. Ihre Nachfolger änderten die politische Richtung, hatten aber nicht mehr lange das Sagen. Im Jahre 1883 eroberte Frankreich die Insel und machte sie zu einer Kolonie.
Versuche, gegen die Franzosen zu rebellieren, scheiterten 1918/19, 1929 und 1947/48. Mitte der 1940er Jahre entstand zwar eine Unabhängigkeitsbewegung, legal auftreten konnte diese allerdings nicht – bis 1950 bestand Kriegsrecht, bis 1955 blieben alle politischen Aktivitäten verboten. Madagaskar wurde im Jahre 1960 selbstständig.
Politische Probleme in Madagaskar
Zu den politischen Problemen des Landes gehört eine geradezu desolate Ausstattung mit finanziellen Mitteln. Das Geld reicht einfach nicht aus, um in moderne Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildungswesen ausreichend zu investieren.
Dazu kommt, dass eine kleine Oberschicht von den Naturschätzen des Landes profitiert und grundlegende Reformen blockiert. Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit sind defizitär, die Korruption und ist weit verbreitet. Misswirtschaft ebenfalls. Dementsprechend ist das Vertrauen der Bürger in den Staat gering. Die Bevölkerung ist zu einem großen Teil nicht in der Lage, die Regierung zu kontrollieren und eigene Interessen in den politischen Prozess einzubringen.
Quellen:
goruma. Madagaskar: Geografie, Landkarte; URL: https://www.goruma.de/laender/afrika/madagaskar/landkarte-geografie (zuletzt aufgerufen am 29.01.2022)
goruma. Madagaskar: Bevölkerung und Städte, Hauptstadt und weitere Städte; URL: https://www.goruma.de/laender/afrika/madagaskar/bevoelkerung-staedte (zuletzt aufgerufen am 29.01.2022)
statista. Madagaskar: Gesamtbevölkerung von 1980 bis 2010 und Prognosen bis 2026 (in Millionen Einwohner); URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/408531/umfrage/gesamtbevoelkerung-von-madagaskar/ (Stand: 21.01.2022)